Bridget Jones, oder die gestohlenen 201 Minuten

Gehört noch nicht zum Weihnachtsfest wie Aschenbrödel, findet dennoch mit hübscher Regelmässigkeit seinen Platz zwischen Christmas Vacation und dem Polarexpress.

Bridget Jones’s Diary, respektive Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück. In Sachen Titelgebung sind die deutschen Verleiher gerne etwas kreativ.
Während Bridget alle paar Minuten ihr Tagebuch vollheult, spielt Schokolade im gesamten Plot absolut keine Rolle, geschweige denn zum Frühstück.

Bridget ist ein Blondchen über dreissig, raucht Kette, säuft wie ein Loch und wabbert ein wenig üppig über den Bildschirm. Politisch korrekt. Um der Wahrheit genüge zu tun müsste man sagen, sie ist sehr füllig und aufgedunsen wie eine Wasserleiche, welche drei Tage nach dem Todeszeitpunkt aus der Themse gefischt wurde.
Bridget ist es leid Single zu sein und wie immer, sind alle anderen schuld daran.

Es ist nicht mein Ansinnen gegen Renée Zellweger zu schiessen, ich denke, die Rolle wurde von der Romanvorlage vorgegeben. Wenn wir jedoch bedenken, dass Bridget Jones’s Diary eine Adaption von Stolz und Vorurteil ist und uns dann die bezaubernde Keira Knightley vor Augen führen, kann man sich des Eindrucks nicht wehren einen Rolls Royce gegen einen Volkswagen getauscht zu haben.
Nein, meine Kritik bezieht sich ausnahmslos auf den Film, respektive die Auslegung der Charaktere.

Nun denn, zum Film.
Jeder Mensch, Männchen wie Weibchen, hat in seinem Wesen gewisse liebenswerte Besonderheiten, welche man erträgt, weil die schönen Eigenschaften überwiegen. Bridget Jones hat es jedoch geschafft, alle diese liebenswerten Besonderheiten in einer Person zu vereinen und man sucht verzweifelt ein Argument, warum man diese grosszügig tolerieren soll.
Sie ist weder attraktiv, noch witzig, weder klug, noch charmant, weder zurückhaltend noch scheu, sie ist einfach nur nervig. Selbstverständlich ignoriert sie diese Attribute komplett, statt den Tatsachen Rechnung zu tragen, empfindet sie ihren Stil als sexy, bezeichnet sich als klug und ist indes überzeugt, dass sich die Männer um sie schlagen müssten. Dadurch manövriert Bridget sich in Situationen, welche den Fremdschäm-Faktor in eine Sphäre heben, dass man sich nicht mehr darüber amüsieren kann, ohne ein peinliches Zeugnis seiner Selbst abzulegen.
Sprich, der Film schiesst nicht über das Ziel heraus, der Pfeil landet mehrere Meter vor der Scheibe im Staub.

Nachdem sie den zurückhaltenden Anwalt Darcy (Colin Firth) ablehnt, weil er einen Pullover mit Rentiermotiv trägt, wirft Bridget mit kurzen Röcken und durchsichtigen Blusen einen Köder für den von Hypersexualität getriebenen Chef Cleaver aus. Hugh Grant als Cleaver ist dann auch der einzige Grund, diesen Film zu gucken, spielt er seine Rolle wie immer mit einem trockenen Humor, ohne in dümmliche Komik zu verfallen.

Meines Erachtens leben Komödien dadurch, dass sie einen Bezug zum realen Leben haben. Es sind diese ‚Ups, genau so ist es…‘-Momente, leinwandtauglich etwas zugespitzt ohne zu überdrehen, welche den Humor ausmachen.
Doch wenn man ohne Verdeck über das Land fährt, hält wohl keine Frau ihr Haupt in den Wind, um danach auszusehen, wie ein toupierte Denver Clan-Darstellerin.
Und wird man zu einer Motto-Party eingeladen, deren Motto ‚Pfarrer & Flittchen‘ kurzfristig fallen gelassen wurde, spaziert kaum ein Mensch den ganzen Tag im Playboy-Bunny-Kostüm über den Rasen. Inklusive Ohren am Haarreif.
Man kann dem Zuschauer doch nicht verkaufen, dass ein Mensch so blöde ist.

Warum geht die Single-Frau zu einem Dinner, wenn sie von den anwesenden Pärchen nicht einen Menschen mag? Und sie genau weiss, dass sie zum Gespött der gesamten Gesellschaft wird?

Es kann sein, dass man eine Mahlzeit bei der Zubereitung versaut. Obwohl niemand so dämlich sein wird, Speisen mit einem eingefärbten Nylonbindfaden zu schnüren, bevor sie gekocht werden.
Selbstverständlich bringt Bridget dies zustande und statt, dass sie wie ein normaler Mensch einfach eine Pizza bestellt, setzt sie ihren Gästen eine blaue Suppe vor. Natürlich beschleicht keinen der hungrigen Anwesenden der Verdacht, dass dieser Chemiesud unverträglich sein könnte und so kommt auch von diesen keiner auf die Idee, was beim Italiener zu holen.
Ich fühle mich nicht nett veralbert, sondern für dumm verkauft und um 18 Franken betrogen.

Es ist rational nicht nachvollziehbar, doch im Verlauf des Films stellt sich heraus, dass sowohl Cleaver wie auch Darcy um die trottelige Bridget buhlen und selbstverständlich treffen diese spontan aufeinander.
Die Szene, als sich diese beiden auf der Strasse vor Bridgets Haus klopfen, wirkt angesichts der übetrieben aufgebauschten Fettnäpfen im Rest des Films schon beinahe realistisch.
Und wie endet das Ganze; Bridget läuft im synthetischen Leoparden-Slip und Bademantel durch das verschneite London – wie kann sich die erfolglose Journalistin überhaupt eine grosse Eck-Wohnung in der viertteuersten Stadt Europas leisten – um Darcy an der Flucht zu hindern.

Ende gut alles gut, oder etwas über 90 Minuten, welche mir kein Mensch zurück gibt.
Weil die Fernbedienung zehn Zentimeter ausserhalb der Reichweite meines Armes lag, blieb ich auch gleich an der Fortsetzung hängen.

Die bescheuerte Bridget hat eine Beziehung mit einem erwachsenen Mann. Dummchen und gebildeter Anwalt.
Nun, aller Intelligenz zum Trotz telefoniert er über Lautsprecher mit Bridget, während er in einem Raum voller Staatsoberhäupter und Diplomaten sitzt.
Ehrlich, ist dies witzig?
Möchte sagen; Bei Loriot spielt der Handelsvertreter von Heinzelmann (saugt und bläst wo Mutti sonst nur saugen kann), umgeben von neugierigen Ohren, nervös am Telefon rum und aktiviert daraufhin den Lautsprecher. Ein Worst-Case-Szenario, die Szene lebt durch den ‚Kann durchaus passieren‘-Gehalt.

In diesem Stil geht es weiter. Wenn ich beim Friseur in den Spiegel schaue und finde, das geht gar nicht, bitte ich die Dame, doch nochmals Hand anzulegen. In diesen bescheuerten Unterschichtenkomödien natürlich nicht. Es ist wohl auch eine Form von Slapstick, dass Bridget ihr Kleid eine Nummer zu klein wählt und als Presswurst mit dem grazilen Gang eines Pinguin ihren Partner anlässlich eines Anwalt-Dinners bloss stellt.
Dem Konzept getreu gehen sie Ski fahren und selbstverständlich verschweigt sie ihrem Partner, dass sie nicht Ski fahren kann.
Um die Peinlichkeit auf die Spitze zu treiben wählt sie natürlich auch ein möglichst auffälliges Outfit, als Krönung eine Mütze mit zwei Bommeln. Jede einzelne Kunstfaser schreit förmlich; Seht her, alle her zu mir, mein einziges Ziel ist es, meinen geliebten Freund möglichst dumm ausschauen zu lassen!
Die Szene endet, dass Brigdet auf ihren Skier in eine Apotheke schlurft und versucht auf deutsch einen Schwangerschaftstest zu bestellen. Ihre Muttersprache ist die Weltsprache schlechthin und wird wohl in einem internationalen Skiort gesprochen, aber ja…
Bisweilen frage ich mich; Überlege ich einfach zu weit, dass sich mir diese Form von Humor nicht erschliesst?

Natürlich trennen sich die beiden, man muss ja Cleaver wieder ins Spiel bringen. Irgendwie muss man das Volk in das Lichtspielhaus locken.

Der Drehort verlagert sich nach Thailand. Nach weiterem zelluloidfüllendem sinnenentleerten Geplänkel mit Cleaver landet Bridget des Schmuggels bezichtigt in einem Gefängnis, was den Zuschauer so richtig freut. Man hätte sie für hundert Jahre wegsperren können, Ende gut, alles gut.
Aber so funktioniert das nicht. Darcy holt sie raus und Bridget kehrt zurück.

Auf den kleidertechnischen Running-Gag will ich nicht mehr eingehen, dieses Element muss wohl irgendwen amüsieren, sonst wäre es kaum im Skript gelandet, mir ist es einfach zu dumm.
Der ganze Film findet seinen surrealen Höhepunkt nicht in der Tatsache, dass Darcy ihr einen Antrag macht, sondern dass die Produzenten noch einen dritten Teil in die Kinos geworfen haben.

Es erschliesst sich mir beim besten Willen nicht, welches Publikum man damit bedienen will. Doch die internationalen Kritiken zeigen auf, dass der Fehler nicht im Werk selber, sondern bei mir zu suchen ist.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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