Bundesangestellter während der Präsenzzeit beim Arbeiten erwischt

Bundesangestellter während der Präsenzzeit beim Arbeiten erwischt
Vorgesetzte sind von dieser Situation überfordert.

(nldpa)Es trug sich gestern Donnerstag im thurgauischen Hübelidorf zu. Während der Morgenkaffeepause fehlte Herbert F. Nach fünf Minuten entschied sich ein besorgter Arbeitskollege der Sache nachzugehen. Mit einem Betriebsfahrzeug machte er sich auf den Weg in die zwanzig Meter entfernte Werkstatt und überraschte Herbert F. in flagranti.

„Bei meinem Eintreten wollte er gleich den Schraubendreher in die Werkzeugkiste zurücklegen, doch es war zu  spät. Ich hatte alles gesehen“, berichtet ein sichtlich mitgenommener Franz H.
Franz H., noch immer unter Schock, wollte uns nach Rücksprache mit dem Care-Team doch ein paar Fragen beantworten.
„Es ist ja im Interesse von uns allen, dass diese Sache möglichst schnell aus der Welt geschafft wird.“, zeigt er sich pflichtbewusst. Und Herbert sei ja an sich kein Böser, aber irgendwie hat man es kommen sehen.
Franz H. sei also mit dem Fahrzeug bis vor die Werkstatt gefahren, mit einem angedeuteten Nicken zeigt er auf die Eingangstür, und konnte so ohne weit gehen zu müssen die Halle betreten. „Wir sind immer darauf bedacht, die Fusswege kurz zu halten, so funktionierte das schon immer“.
Herbert F. stammelte nach Aussage von Franz H. wirre Sätze vor sich hin. „Er wolle nur noch eben vor der Pause diese Schraube anziehen. Dann wäre die Arbeit an diesem Fahrzeug beendet.“
Vor der Pause, das muss man sich vorstellen, es war bereits zehn Minuten nach neun und Herbert F. hatte den Schraubendreher noch immer zur Hand.

Unsere Rückfrage beim Werkstattchef ergab, dass Herbert F. nicht direkt gegen eine Weisung verstossen hätte, aber „da gibt es immer noch die Interna ‚das haben wir immer so gemacht‚“, erläutert er uns.
Um neun sei die Kaffeepause und dies sei nicht etwas, was man einfach so nebenbei erledige, erklärt uns der Werkstattchef Robert B. und zieht einen Stuhl heran. Die Sache nimmt ihn mehr mit, als er zugestehen will.
„Bereits um halb neun müssen wir uns überlegen, ob es vertretbar wäre, noch eine Arbeit zu beginnen.“ Es wären ja doch 15 Minuten Pause. Wenn wir die Einarbeitungszeit berücksichtigen um wieder in die Tätigkeit hinein zu finden, sind die Überlegungen absolut berechtigt. Es bleiben anschliessend keine drei Stunden, bis man sich mit der Vorbereitung für die Mittagspause befassen muss.
Er wäre schon von Beginn an kein einfacher gewesen, der Herbert. Für weitere Fragen sollten wir uns doch an Patrick wenden, er müsse sich nun erst ein wenig erholen.

Auf der Durchfahrt vor dem Gebäude treffen wir Patrick. Gerade im Begriff, eine Schraube der Grösse M8 x 16 in die Lagerhalle F zu überführen. Als wir zu ihm aufgeschlossen haben, reduzieren wir unsere Schritte, worauf er seinerseits den VW-Bus abbremst.
„Sehen sie“, spricht er über das Tuckern des Diesels hinweg, „ich drehe den Zündschlüssel erst Abends auf dem Parkplatz wieder. Es lohnt sich einfach nicht, diese Handbewegung immer und immer wieder zu vollziehen. Das ist gelebte Effizienz“, spricht er und nimmt unser verständnisvolles Nicken wohlwollend zur Kenntnis.
„Da war diese Sache mit dem Herbert. Sehen sie“, er steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen und betätigt mit einiger Anstrengung sein Piezofeuerzeug, „es kann sein, dass wir zwei Aufträge innerhalb eines Tages erhalten. Die ***** Geschäftsleitung hat uns wohl versichert, dies solle nicht wieder geschehen, aber diese ***** dort oben mit ihren ***** **** auf den Stühlen wollen uns doch nur ***** und ***** sind sowieso ****“.
Zornesröte breitet sich auf dem Gesicht aus, die Anstrengung lässt Patrick nach Luft schnappen.
„Wenn dies also geschieht, ist es ganz normal, dass man sich mit Arbeitskollegen austauscht. Dies darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen! Wir sind angehalten aufeinander zu achten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir diese Situation der Arbeitsüberlastung erst ein bis zwei Tage auf Platz erläutern und uns klar werden, wie wir weiter vorgehen. Es muss eine Reihenfolge festgelegt werden, diese müssen wir untereinander absprechen, allenfalls noch direkte Vorgesetze informieren. Wir dürfen auch nicht ausser acht lassen, wie man dies früher erledigt hat und die Auftraggeber gegebenenfalls darauf hinweisen.
Sehen sie, vielleicht ist es gar nicht möglich, zwei Aufträge in solch kurzer Abfolge zu erledigen. Aber woher sollen die ***** Sessel-***** das denn wissen? Die werden schon noch sehen, was geschieht, wenn die uns weiterhin so piesacken. Früher, unter dem Hermann G. wehte da ein anderer Wind, da war alles noch in Ordnung. Aber heute…“
Aber nun zu Herbert, versuchen wir den aufgebrachten Patrick wieder in die Spur zu lenken.
„Ja… da war ich also gerade erst bei Erwin, unterwegs zu Hans, damit wir uns bei Bruno treffen konnten, als der Herbert mir zurief, er hätte die beiden Aufträge erledigt. Nachmittags um vierzehn Uhr, dabei haben wir diese Arbeiten doch erst morgens um sieben Uhr aufgetragen erhalten.
Er ist ja kein Böser, der Herbert, aber so funktioniert es einfach nicht. Fragen sie doch den Erwin wegen der Sache mit dem Schrank…“

Der VW-Bus setzte sich wieder in Gang und wir warteten die halbe Minute, bis er in seiner ganzen Länge von drei Meter an uns vorbei gezogen war und wir uns zu Erwin aufmachen konnten.
Erwin brütete gerade über einer technischen Zeichnung. In sich gekehrt, um sich besser zu fokussieren hält er die Augen geschlossen. So konzentriert, dass er, von der Atmung abgesehen, keine weiteren Körperfunktionen mehr aufrecht erhalten konnte und der Speichel aus dem linken Mundwinkel tropfte.
Verzeihung, sind sie Erwin?
Nochmals etwas lauter mit einem Klopfen an die Tür.
Ein Brummen kündigte an, dass er sich langsam von der Arbeit löste und ein gläserner Blick richtete sich auf uns.
„Ah, die Zeitungsfritzen. Wegen Herbert F., nicht?“
Auf unsere Bestätigung hin, begann er sogleich mit der Geschichte des Schranks.
„Die Werkstätten wurden noch von Hermann G. eingerichtet. Der hat sich was überlegt. Da schiebt man nicht einfach einen Tisch in den Nebenraum. So auch dieser kleine Schiebeschrank.“
„Nichts, aber das ist auch nicht das Thema“; antwortete Erwin auf die Frage, was in dem Schrank gelagert würde.
„Es geht darum, dass man einen Schrank nicht einfach verschiebt. Wenn das jeder würde, wüsste man bald nicht mehr, wo wer sitzt. Wir haben uns wegen diesem Schrank mit Vertretern der Geschäftsleitung getroffen. Es drehte sich um die Frage, ihn um einen Meter zu verschieben, weil der Ruedi dies gerne hätte. Also sitzen wir einen Morgen lang zusammen und verabreden uns für den nächsten Tag mit Karl von St. Gallen. Dieser hat vor einem Jahr bereits einmal einen Schrank verschoben und kommt nun her, uns zu beraten.
Know-How-Transfer, dies ist wichtig in unserem Betrieb.
Als wir nun am nächsten Morgen kommen, steht der Schrank am neuen Ort.“
„Und das war Herbert?“
„Was denken sie denn? Natürlich war es Herbert! Als ich die Werkstatt verliess, war alles wie es sein sollte. Es war nur noch Herbert da. Als ich aus dem Parkplatz fuhr, sah ich Herbert das Gebäude verlassen. Er muss diese Zeit genutzt haben, den Schrank zu verschieben. Karl stand völlig umsonst um neun Uhr in unserer Werkstatt. Wir konnten keine Sitzung mehr abhalten und so musste er bereits um vierzehn Uhr dreissig wieder zurück fahren. Und es sind doch fünfzehn Minuten Fahrt.
Wenn sie mich fragen, mit diesem Herbert stimmt etwas nicht. In der Kantine sitzt er jeden Tag auf einem anderen Platz. Wenn dieser Schlendrian Einzug haltet, haben wir hier bald Sodom und Gomorra, denken sie an meine Worte!
So jetzt muss ich sie aber bitten,“ gab er uns mit einem Nicken in Richtung Tür zu verstehen,“ in dreissig Minuten ist Nachmittagskaffee-Pause und ich muss mich noch vorbereiten.“

Wir kreuzten den Weg des Werkstatt-Chefs, welcher eine Tasse in der Hand seinen Schritt in Richtung Kaffeemaschine lenkte.
„Wie wollen sie nun weiter verfahren?“
„Wir sind mit einer solchen Situation noch nie konfrontiert gewesen. Ich werde dies mit meinen Vorgesetzten besprechen müssen. Solch eine Sache kann sich lange hinziehen. Alles mögliche haben wir an den Kaderrapporten besprochen, aber auf eine solche Situation kann man sich einfach nicht vorbereiten.
Wir müssen auch mehr auf uns achten. Wenn ich mich so umhöre waren die Zeichen schon vorhanden. Herbert’s Toilettengänge waren stets unter einer halben Stunde und er flüchtete sich schon immer gerne in die Arbeit. Unsere chronische Arbeitsüberlastung erfordert dann und wann eine Pause zwischen den Kaffeepausen, diese hat er einfach ausgelassen.
Uns sind ja die Mittel gekürzt worden, wir haben nur noch drei Betriebsfahrzeuge. Statt, dass er nun auf eines wartet, geht er die Strecke zu Fuss. Fünfzig Meter, sie verstehen, das ist doch nicht normal.
Unsere Mitarbeiter müssen einen Kurs besuchen, solche Zeichen frühzeitig zu erkennen. Und die HR muss mir nun eine Lösung ausarbeiten…“

Herbert konnten wir leider nicht sprechen. Er lag unter einem Fahrzeug. Er hätte keine Zeit für diesen Scheiss.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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