Daily Business…

Mittwoch elf Uhr dreissig.

07:31
Pünktlich um 07:31 habe ich die Stempelkarte vor den Leser gehalten und bin 6 Treppen nach oben geschlurft. Ich rechne es mir hoch an, dass ich nach wie vor die Treppe benutze, auch wenn der Fahrstuhl jeden Morgen verführerischer lächelt.

Im Flur so weit nach vorne spaziert, dass ich meinem Chef gerade einen Guten Morgen wünschen kann. Nicht weil ich ihm diesen wünsche, mehr so ein „ich bin dann da…“. Das ‚Gute‘ schenke ich somit auch nur an besonderen Tagen. Heute war kein besonderer Tag.

PC hochfahren, dreimal neu starten um alle Updates abzusegnen und danach etwas hilflos auf den Bildschirm starren.

07:40
Sieben Uhr vierzig und keinen Plan was ich heute anstellen soll. Als erstes die Börsenkurse gecheckt. Nachdem mich gestern meine chinesischen Tech-Optionen ordentlich verarscht haben – sollen sie an ihren Fledermäusen ersticken, diese verdammten gelben Tunichtgute – gedachte ich heute auf den Biozug aufzuspringen. Natürlich, zwei Tage zu spät. Daher kommt das Zeugs heute auch nicht wirklich in die Gänge. Also doch, ein wenig schon, aber in die falsche Richtung. Fortuna gibt es mir wieder dreckig.

08:00
Dies erledigt, mir war wieder langweilig. Also checke ich 20 Minuten, Blick, Watson und verfluchte mich, weil mir in den dreissig Minuten Toilettenzeit langweilig werden würde.

08:15
Weil man einfach nicht mehr als eine Viertelstunde braucht um diese Medien zu studieren.
Die weiterführende Ausbildung, welche ich absolviert habe um arbeitslos in einen Bildschirm zu starren wollte in Feedback. Ein Fragebogen, mit Auswahlmöglichkeiten und ergänzenden Feldern für Bemerkungen. Mit dem Wunsch, diese ausführlich zu füllen.
Warum auch nicht, habe nichts Besseres zu tun und bin so richtig in der Stimmung, ein Feedback zu verfassen.

09:00
Ein Chef in tritt mein Büro. Nicht mein Chef. Einer der anderen vier. Jener welcher von den Kaffee-Gepflogenheiten keinen Plan hat. Und überhaupt, ich mag es nicht, wenn ich mich in eine Tätigkeit des Zeit-totschlagens begeben habe und dabei gestört werde. Dann hat er auch die Eigenschaften, meinen Schreibtisch zu umrunden und in meinen Monitor zu starren. Ich würde schwören, einer, welcher auf einer öffentlichen Toilette, bei vier weiteren unbenutzten Pissoirs jenes neben dir belegt. Einfach weil die Privatsphäre anderer dort zu enden hat, wo seine Neugier beginnt. Dieses Frettchen.

Du hast Schreibpapier bestellt?
Ja.
Du hast es in mein Lager gestellt?
Ja.
Eine Palette?
Ja.
Hast du einen Schlüssel?
Nein.
Aha…
Kommt noch was?
Ja…
Vorschlag; Du plauderst hier weiter, ich gehe ein wenig spazieren und du rufst mich, wenn du soweit bist, zum Punkt zu kommen.
Das geht nicht…
Ah, dann kommst du gleich zum Punkt?
Hä?
VERDAMMT NOCHMAL, WAS WILLST DU EIGENTLICH??
Ja wegen dem Papier. Auf der Palette…

Ich darf an dieser Stelle einschieben, dass der verdammte Eunuch eine Fistelstimme hat, welche die Hunde im Ortskern jaulen und Fledermäuse gegen Wände klatschen lässt und jeden normalen Menschen einfach in den Wahnsinn treibt.

... es steht mir im Weg, fistelt es weiter.
Und warum sagst du dies nicht einfach?
Ich will erst sehen, wie die Abläufe hier so sind. Vielleicht habt ihr dies ja immer dort…

Es war der Moment, an welchem ich einfach beginnen wollte zu weinen. Aus Verzweiflung und Mitleid mit mir selber. Ich achte unseren lieben Herrgott, aber ehrlich; Welchen Plan verfolgt der Allmächtige, wenn er solche Menschen auf die Erde lässt? Die sind einfach nur da um andere Lebewesen zu nerven. Stechmücken haben immerhin noch eine Funktion in der Nahrungskette, aber solcherlei Tagediebe unter uns zu haben entbehrt jedem Sinn. Er gehört zu dieser Spezies Mensch, bei welcher man um Worte in der Trauerkarte ringen muss, weil man doch gerade in diesen Momenten nicht lügen sollte.

Also, ich komme heute Mittag, dann helfe ich umräumen.
Jo… Nei…
Ok, ich erwische mich selber, wie ich dieses typisch schweizerische… Jo… nei… in Sätzen verwende. Aber ich bin ein liebenswerter Mensch, da geht dies in Ordnung. Das Frettchen, welches nicht einen halben Kreditpunkt auf dem Konto hat kann sich dies nicht leisten.

Was jetzt?? Ja oder nein!?!?
Also, ich komme nochmals… und fistelt wieselt aus meinem Büro.
15 Minuten meines Lebens, welche mir niemand mehr zurück gibt. Die sind einfach durch. Diese Zeit von 09:00 bis 09:15 am elften November im Jahre 2020 des Herren sind einfach vorbei. Kommen nie wieder. An meiner Lebensuhr abgezogen. Und ich habe sie mit einem fistelnden Frettchen verbracht. Ist es nicht zum Haare raufen?

09:15
Ich zapfe mir den verdienten Kaffee. Wohl noch keinen Streich getan, aber es sind die Gewohnheiten.

09:20
Weiter mit dem Feedback. Will es absenden.
„Maximal 1500 Zeichen“ sind pro Punkt erlaubt. Ich kann vieles, aber keine Texte kürzen. Jedes Wort ist so wichtig wie das vorangegangene. Vielleicht noch wichtiger. Nein, gleich wichtig. Drei mal redigieren und nach wie vor zu viele Zeichen. Leckt mir den Bürzel passt.
Den Rest packe ich ein Mail und sende es dem Fragebogen nach.

10:00
98 Mails. Raumreservationen, welche auf eine Freigabe warten. Treffen bei meinem Chef ebenfalls ein. Aber bei ihm mit Ton. Ein verstärkter Ton. Welcher durch das gesamte Stockwerk halt. Weil Diskretion nicht sein Ding ist. Alle müssen mithören wenn er telefoniert, alle müssen seine Kommentare zu irgendwelchen Dokumenten hören. Und alle müssen hören, wenn er mit einem „jetzt reicht es für heute“ den Feierabend ankündigt. Es sei denn, er geht um mehr als 30 Minuten vor der unverbindlichen, aber historisch gewachsenen Feierabendzeit. Dann schleicht er raus wie eine Katze.
Achtundneunzig mal Ping. Bei jedem vierten Ping begleitet von einem „Die nerven mit den Reservationen, was soll das…?“
Sagt der, welcher jede Reservation persönlich absegnen will. Darum kommen diese Mails überhaupt. Weil er den Gspänli zutraut, dass sie Räume vierfach belegen.

11:00
Ich resümiere. Warum bin ich heute aufgestanden?

11:15
Bin fertig mit resümieren. Habe jetzt Mitleid mit mir. Beginne mich zu hinterfragen, welcher Teufel mich in solche Jobs reitet.
Konsultiere den Stellenanzeiger. Google den Weg nach Bronschhofen. Wären täglich über 120 Kilometer. Und der Chef dort soll ein etwas komplizierter Mensch sein.
In einem Gruppenchat wird verkündet, die Stelle sei schon vergeben. Eine Alibi-Ausschreibung. Überlege aus reiner Langeweile eine Bewerbung zu tippen. Alleine, weil der Stellenbeschrieb so unsäglich dämlich aufgesetzt ist.
Beschäftigungsgrad 100
Was? Kartoffel?
Was mir gefällt, „Dem/Der Stelleninhaber/in können weitere Aufgaben übertragen werden“ hat ein Gewicht von 0 Kartoffeln. Sprich, vor jeder weiteren Aufgabe kann man sich drücken und den Stellenbeschrieb auf den Tisch knallen.
Ansprechpartner für Leistungsbezüger„. Ebenfalls 0 Kartoffel.
Unter Kompetenzen wiederum „Ausgesprochene Eignung zu dauerndem Kundenkontakt….„.

11:30
Beschliesse einen Blog zu tippen. Überlege worüber.

12:00
Unterbreche meine Überlegungen um ein Mittagsmahl zu mir zu nehmen. Lese alle Meldungen des Tages, welche ich bereits digital konsumiert habe noch in analoger Form.

13:00
Formuliere im Geist meine Kündigung. Also innerlich habe ich um 07:35 bereits gekündigt, aber irgendwie sollte man diese noch zu Papier bringen.
Beginne zu bloggen.

13:45
Gehe in das Lager des Frettchens. Räume etwas Papier um. Ignoriere sämtliche Fragen und blocke alle gefistelten Kommunikationsversuche ab.

14:00
Mein Chef kommt.
Beginnt mit dem Frettchen zu streiten.
„Mis Gstell – Dis Gstell“ und ich mitten drin.
Sind wohl die Methoden deiner alten Firma… nennt sie beim Namen… aber hier bei uns geht das nicht so.
Aber ich muss doch irgendwo.
Aber nicht hier.
Dort hinten ist mir das Papier im Weg!
Und hier vorne ist es mir im Weg!

Hin und her wie im Sandkasten. Grinse vor mich hin. Kriegt niemand mit, weil ich eine Maske trage. Und meine Augen sind irgendwie so leer. Tot. Wurde mir gesagt. Ich mag die Maske. Könnten wir noch Sonnenbrillen tragen wäre ich vollends befriedigt.

14:30
Sie haben sich irgendwie geeinigt.
Eine Lose-Lose-Situation.
Das Papier haben sie auf ihre jeweiligen Regale verteilt. Und beide sind unglücklich weil sie nicht gewonnen haben. Freue mich darüber.

15:00
Mache mir erneut einen Kaffee.

Resümiere. Mein Tagwerk für heute:
1 Lieferschein verbucht.
1 Mail weitergeleitet.
1 Mail geschrieben.
3 Kaffee getrunken.

Nur noch 2.5 Stunden. Dann darf ich gehen und mich auf morgen freuen. Diese Tage, an welchen man nur sich selbst hassen kann, weil man irgendwie keinen anderen Schuldigen findet.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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