Neulich, beim Verkehrsmedizinischen Check

Heute wurde ich zur medizinischen Fahrtauglichkeitsprüfung geladen. Wer immer von Gesetzes wegen zugelassen ist, ein Fahrzeug von mehreren zehn Tonnen zu lenken, muss dann und wann von einem staatlich zugelassenen Medizinmann eine Bescheinigung einholen, dass er auch noch 2 Meter nach der Frontscheibe klarsieht und im Fuss kein Taubheitsgefühl aufweist.

Was meine Künste im Lenken eines LKWs anbelangt, würde ich nicht zwingend die Hand ins Feuer legen. Auf dem Panzer bin ich sattelfest, aber dieser lenkt sich auch wie ein Go-Kart. Er ist kompakt, hat nahezu keinen Überhang oder grossen Radstand, ist übersichtlich und man fühlt sich schon sehr sicher. Denn mal ehrlich; Was da so am Strassenrand entlang aufgebaut ist, von Hinweistafeln über Ampeln und Alis Gebrauchtwagenhandel kann einem nicht viel anhaben. Jedenfalls nichts, was mit einer Spraydose ALN 612-5878 nicht wieder aus der Welt geschafft wäre. Dies gibt einem schon ein sehr sicheres Gefühl.

Aber LKW lenke ich dann schon eher selten. Geschweige denn, dass ich noch einen Hänger am Hinterteil habe. An der Prüfung vor gut vier Jahren, ich legte diese Zusatzprüfung nur ab, um irgendwann einmal einen Sattelschlepper zu lenken, habe ich das letzte Mal einen zweiachsigen Anhänger bewegt und wie ich es geschafft habe, den begehrten Ausweis zu erhalten, kann ich mir heute noch nicht erklären. Ich schaffte es, das komplette Gespann auf einem Parkplatz zwischen Fahrzeugen so zu verkeilen, so dass ich den Experten bitten musste als Abstandswarner zu fungieren. Auch die Ladungssicherung war Thema. Natürlich ist die Ladung auf dem Fahrschul-LKW so ziemlich fix montiert, entsprechend verzurrt, dass da überhaupt nichts rutscht und springt. Folglich warf ich auch nur einen kurzen Blick in den Container, bestätigte im Brustton der Überzeugung, dass alles fest sei und fuhr los. Bis bei der nächsten Bremsung eine Ladungssicherungsstange mit lautem Getöse quer durch den Anhänger flog und mein Experte mit den Augen rollte und meiner Nervosität solchen Vorschub leistete, dass ich die nächsten drei Verkehrskreisel beinahe auf dem kürzesten Weg nahm.

Nun das ist vorbei und der Teufel soll mich holen, wenn ich diesen Ausweis jemals wieder freiwillig aus der Hand gebe.

Deswegen muss ich alle 5 Jahre zum Verkehrsmedizinischen Check.

Heuer war mein erster. Ein klein wenig nervös, klar. Doch dann sagte ich mir, wenn ich meinen Blick so durch den Strassenverkehr streifen lasse, was da so alles auf dem Bock sitzt, vom ächzenden fettleibigen Polen bis zum sturzbetrunkenen Russen, kann der Untersuch ja nicht so dramatisch sein.

Ich hätte Wasser zu lösen, teilte man mir am Telefon mit.

Kein Problem. Eigentlich. Doch die Terminabsprache mit meiner Blase war dann doch eher schwieriger, eine halbe Stunde vor dem Termin war ich der festen Überzeugung, wenn ich nun der Natur nicht gleich ihren Lauf lasse, trage ich unreparierbare Schäden davon.

Die Erleichterung war grenzenlos, doch war nun die Hürde, bis um 14 Uhr wieder eine messbare Grösse an Harn zu produzieren, ohne dabei auf Bier zurückzugreifen. Glücklicherweise haben energiereduzierte, ich spreche von widerlichen Phenylalaninquellen, Energydrinks eine ähnliche Wirkung auf meinen Drang.

Allerdings machte ich mir dann wiederum Sorgen um den Blutdruck, wenn ich ein paar Dosen Red-Bull konsumiere. So griff ich zum Himbeersirup zero, in der Migros erhältlich und die Zusatzbezeichnung bezieht sich auf den Zuckergehalt wie auch Geschmack gleichermassen, füllte ein Glas 50:50 und leerte dies in zweifacher Ausführung in einem Zug. Um der Sache noch etwas Druck zu machen, kippte ich einen halben Liter Wasser hinterher. 13:45, keinen nennenswerten Veränderungen in meinem Wasserhaushalt. Also kippte ich noch einen Kaffee hinterher, nahm eine Flasche Wasser unter den Arm und begab mich zum Onkel Doktor.

Auf dem Parkplatz nochmals ein paar ordentliche Schlucke und mit Elan durch die Praxistür und gleich mit dem kleinen Becher zur Toilette, denn nun setzte die Wirkung ein.

So der Plan. Nicht einkalkuliert habe ich Corona. Da standen 5 Leute im ordentlichen zwei-Meter-Abstand zwischen mir und der Empfangstheke. Alle haben die 60 überschritten und so sie nicht in kleinen tippelnden Schritten gingen, schleppten sie sich an Krücken vorwärts. Der Arztbesuch war ihr Nachmittagsprogramm und entsprechend viel Zeit, also bis zur Nachtruhe um 17:30, haben sie auch mitgebracht.

Allmählich begann ich zu tänzeln.

Ah, der Verkehrsmedizinische Untersuch, gleich da links bis ganz hinten im Gebäude.

Zielstrebig steuerte ich mit festem, aber doch bewegungsarmen, nicht dass was überschwappt, Schritten begab ich mich ganz nach hinten.

Bitte nehmen sie doch einen Moment Platz.

Natürlich. Wie konnte ich nur annehmen, dass sich gerade heute etwas von einem normalen Arztbesuch unterscheiden würde.

Nach fünf Minuten, die Zierbrunnen plätscherte fröhlich vor sich hin, kam eine Dame und hinter dem Mundschutz erklang es «Haben sie schon Wasser gelöst?». Nicht? Na, dann hopp nach vorn zur Anmeldung, es reihten sich weitere Rentner ein, und das Becherlein geholt.

Wenigstens verleiten einem die Rentner nicht zu hektischen Bewegungen.

Erwähnte ich schon, dass es mir langsam peinlich war, vor Hinz und Kunz über das urinieren zu sprechen? Es ist ja nun nicht ein Thema, welches in einer netten Runde diskutiert wird, darüber hinaus fühlte ich mich, wie ein Junkie auf Bewährung.

Ah, gehen sie nach rechts, ganz nach hinten im Gebäude zum Labor. Dort kriegen sie den Becher. Sprachs, während im Hintergrund eine ihrer Kolleginnen laut plätschernd eine Tasse spülte und meine Halsschlagadern langsam anschwollen.

Beinahe ganz hinten hatte ich mich geringfügig verlaufen und erkundigte mich bei einer weiteren Dame nach dem Labor.

Gleich hier, wies sie auf eine offene Tür, welche ich vorher schon bemerkt hatte, aber die drei Rentner, welche dort drinnen an irgendwelchen Schläuchen hingen irritierten mich etwas. Oh, ist besetzt. Nehmen sie doch einen Moment hier Platz.

Leicht verkrampft sass ich auf dem Stuhl, während sie geräuschvoll die Topfpflanze zu meiner rechten aus einer neckisch kleinen Giesskanne tränkte.

So, Herr Huber, nun wollen wir ganz langsam aufstehen…. klang es aus der offenen Tür.

In der Zeit, zwischen dieser Aufforderung und dem vorbeischlurfen des Herr Huber in Filzpantoffeln hätte ich gut eine Toilette bauen können. Hätte ich mich getraut die Körperposition zu verändern.

Ich vermochte nicht zu warten, bis ich aufgerufen wurde.

Mit einem «Pardon» trat ich in das Labor und teilte mit, dass ich hier einen Fall von einer gewissen Dringlichkeit hätte.

Ah, der Herr… Endlich.

Endlich?
Aber da war keine Zeit zu diskutieren. Da vorne ist die Toilette, wir stellen ein Becherchen in die Durchreiche.

Hat irgendwie was widerliches. Eine Durchreiche für Becher voller Urin. Da gab es einen kleinen Diskretion-wahrenden Metallschieber, welcher zur Seite geschoben wurde. Der Anleitung zufolge noch vor dem Hände waschen, was es nicht weniger ekliger machte. Sprich, jeder, der sein Becherchen nicht mit einer Geschicklichkeit wie sie mir eigen ist füllte, fummelte danach mit seinen nassen Pfoten an diesem Schieber rum.

Glücklicherweise war mir das im Moment so lang wie breit und noch nicht einmal die Gewissheit, dass die Labordame nur 5 Millimeter Blech entfernt lauschte, was ich in diesem Toilettenhäuschen so anstellte, konnte meine Glückseligkeit ob der Erlösung trüben.

Wir überspringen weitere Details.

Wieder am anderen Ende des Gebäudes durfte ich zum Sehtest. Oben, links, rechts, unten… Augen wie ein Falke, kein Problem. Obwohl ich beim «Made in Germany» unten rechts ganz kurz ins Stocken geriet.

Weiter zum Hörtest.

Es pfeift aufs Ohr, die Dame spielt D-Jane am Mischpult und sobald ich den Ton nicht mehr höre, muss ich mich zu Wort melden. Dann gibt es einen Punkt auf den Zettel und das nächste Frequenzspektrum ist an der Reihe.

Also eigentlich kann man dabei taub wie ein Minensprengmeister sein. Bei der dritten Frequenz stellte ich fest, dass die Punkte, an welchen mein Gehör den Dienst quittierte, irgendwo bei der stilisierten Fledermaus, stets auf derselben Höhe sind und die Dame verbarg das Auswertungsblatt so gut, wie der Dealer den Flop beim Poker.

Irgendwie brach der Sinn für ein faires Spiel bei mir durch, und ich starrte zur Decke und richtete mein «Stop» nicht nach dem Punkt auf dem Auswertungsblatt.

Aber der sinnloseste Test stand mir erst noch bevor.

Konsumieren sie Drogen?

Ähm was?

Nicht, dass ich die Frage nicht verstanden hätte, aber welche Antwort erwartet die gute Frau Doktor? Fragt der Bankdirektor den Jobanwärter, ob er dann und wann auch mal gerne in die Kasse greift, sagt dieser wohl «Ui, jetzt haben sie mich aber erwischt… Verflixt nochmal»? So wenig wird wohl ein Chauffeur, auf das Billet angewiesen, sagen; Ja doch, ein Joint am Tag muss schon sein.

Auch die Frage nach meinem Alkoholkonsum, Schwindelanfällen, gelegentliche Ohnmacht tagsüber und Orientierungslosigkeit im Allgemeinen schien mir doch etwas sehr naiv.

Aber ich möchte sagen, für 135 Franken Pauschale kriegt man ganz schön viel Aufmerksamkeit.

Nun ziehen sie bitte die Schuhe, die Hosen, die Socken und das T-Shirt aus. Nur noch mit meiner Würde und einer Boxershorts bekleidet wurde die Prozedur fortgesetzt.

Herzgeräusche, Lungengeräusche, den Drehradius meines Kopfes, es wurde beinahe alles vermessen. Und mit beinahe alles meine ich, dass auch das Arbeiten meiner Verdauung abgehört wurde. Also wäre da nur ein Ansatz von Verschwörungstheoretiker in mir, es hätten alle Alarmglocken schrillen müssen.

Aber das einzige, was einem Klingeln noch am nächsten kam, war eine Art Stimmgabel an meinem Fuss und, welche vibrierte und ich sagen musste, wie lange ich die Vibration spürte. Wozu dieser Check gut sei, vergass ich in meiner allgemeinen Verwirrung zu fragen.

Welchen Sport ich treibe, wollte sie noch wissen, dann war die Sache abgeschlossen und ich darf für 5 Jahre wieder auf die Strasse.

Nach diesem Test frage ich mich offen, warum man in Lastern mehr Bud Spencers als Lincoln Hawks sieht. Aber dies kläre ich in fünf Jahren dann.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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